Produktbewertungen sind ein hilfreiches Mittel, um den häufig sehr farbigen Herstellerversprechen, realistisches Produktfeedback von tatsächlichen Käufern gegenüberstellen zu können.

Kundenrezensionen können heute nicht nur euch eine gewisse Sicherheit vor dem Kauf verschaffen, sondern haben heute auch direkte Auswirkungen auf den Ranking-Algorithmus der meisten großen Marktplätze.

Bei der Wichtigkeit, die positive Rezensionen damit auf den Erfolg eines Produkts und einer Marke haben, ist der Wunsch, diese steuern zu können beinahe verständlich.

Gekaufte Bewertungen

Aktive Incentivierung durch Händler

Im Gegensatz zu den obigen Ansätzen, welche aufgrund des geringeren operativen Management-Aufwands häufiger von größeren Brands genutzt werden, sind individuelle Bewertungs-Incentivierungen meist von kleineren Anbietern (häufig aus Drittländern) zu beobachten.

Über eMail – oder in seltenen Fällen auch Postwurf-Kampagnen – werden bereits bestehende Kunden zur Abgabe einer Produktrezension aufgefordert.

Im Gegenzug wird den Käufern meist ein nachträglicher, sehr lukrativer Nachlass auf die bereits abgeschlossene Bestellung angeboten.

Die Erstellung dieser vermeintlich „verifizierten“ Rezension ist entsprechend (meist über das Zusenden eines Screenshots) belegt werden, bevor eine Prämie ausbezahlt wird.

Eine sogar noch extremere Version dieses Vorgehens kann im Zusammenhang mit negativen Rezensionen beobachtet werden.

Produktbewertungen haben einen starken Einfluss auf die Performance eines Produktes, indem sowohl direkt andere, potentielle Käufer als auch indirekt der Suchmaschinen-Algorithmus davon beeinflusst werden. 

Daher ist es keine Seltenheit, dass Käufern, welche nach Ihrem Einkauf eine schlechte Bewertung hinterlassen haben, nicht nur eine vollständige Erstattung des Kaufpreises, sondern darüber hinaus eine zusätzliche Prämie versprochen wird, wenn sie Ihre 1-Sterne Bewertung löschen.

Produkttester Gruppen in Sozialen Medien

Hierbei handelt es sich um geschlossene Gruppen, in welchen den Mitgliedern kostenlose Produktsamples zur Verfügung gestellt werden. Meist werden solche Gruppen über Social Media Plattformen wie Facebook, Telegram oder What’s App gesteuert.

Im Ausgleich dafür, dass die Mitglieder dieses kostenlose Produkt behalten können, verpflichten Sie sich eine entsprechende Rezension zu erfassen – häufig ist diese auch an ein Honorar gekoppelt, welches von den Brands bereitgestellt wird.

Auch Modelle, in welchen die Gruppenmitglieder „verifizierte Bewertungen“ hinterlassen, sind keine Seltenheit.

Hier werden den Gruppenmitgliedern Produktlinks (meist zum Amazon-Marktplatz) geteilt, über welche sie dann das zu bewertende Produkt tatsächlich kaufen.

Erst nach Upload ihres Kaufbelegs, sowie eines Nachweises über die hinterlassene Rezension, wird Ihnen dann der volle Kaufbetrag (+ häufig ein zusätzliches Honorar) gutgeschrieben.

Die Existenz solcher Gruppen ist leicht nachzuweisen, in dem man zum Beispiel bei Facebook einfach nach „Produkttester“ im Bereich Gruppen sucht.

Die genauen Praktiken sind dabei meist geheim gehalten, und nur für Gruppenmitglieder bekannt.

Crowd Tasking Plattformen

Eine noch strukturiertere Form, gekaufte & beeinflusste Produktbewertungen zu erlangen ist über etliche der sogenannten Crowd Tasking Plattformen möglich. Auf die Nennung einzelner, bekannter Portale möchten wir uns an dieser Stelle verzichten, um nicht unerwünschte Aufmerksamkeit zu schenken.

Auch wenn Crowd Tasking Plattformen grundsätzlich eine sehr vielversprechende, positive Erscheinung sind, über die Unternehmen neue Trends erkennen, oder (zum Beispiel im Rahmen von Store Checks) unkompliziert Ihre Qualität verbessern können, liegt auf der Hand, dass derartige Plattformen auch schnell für den Einkauf positiver Produktbewertungen missbraucht werden können.

Auch der Kauf schlechter Bewertungen für Mitbewerber wird aktiv angeboten…

Analog zu Produkttester-Gruppen in Sozialen Medien können hier tatsächliche Käufer zum hinterlassen einer verifizierten Produktrezension incentiviert und gebucht werden. Die Steuerung der „Crowd“, sowie die Honorarauszahlung werden dabei meist von den Plattformen übernommen, was dieses Modell für Marken angenehmer im Handling macht.

Family & Friends Rezensionen

Ein bekanntes Übel, welches meist transparent anhand von überschwänglichen Formulierung und der plumpen Wiederholung von Marketing-Versprechen in Produktrezensionen erkannt werden kann, sind sogenannte „Family & Friends Rezensionen“.

Wie der Name verrät, werden enge Vertraute zum Kauf eines Produkts aufgefordert, für welches dann sehr positive, „verifizierte“ Bewertungen hinterlassen werden.

Diese Praktik könnt Ihr vor allem beim Launch neuer Produkte, und vor allem bei kleineren Marken beobachten.

Vererbte Produktbewertungen

Recycling einer alten Produkt Detailseite

Habt Ihr euch beim Recherchieren von Produktrezensionen schon einmal gewundert, dass Kunden förmlich ein komplett anderes Produkt zu bewerten scheinen?

Tatsächlich ist das KEIN Zufall!

Wohlgemerkt ist dieser „Trick“ mit einer Menge Aufwand verbunden, dennoch häufig zu beobachten.

Auch wenn diese Praxis grundsätzlich schon gegen die Nutzungsbedingungen der GS1 verstößt (die Behörde, welche für die Aushändigung eindeutiger EAN-Produktcodes zuständig ist), ist sie häufig zu beobachten.

Händler bedienen sich hierfür alter Produkt-Listings – und EANs – von Produkten, die bereits ausgelaufen sind.

Über ein mühsames abändern aller individuellen Produktdetails, kann so zum Beispiel aus einer „Handyhülle für iPhone X“ plötzlich eine „Smart Steckdose“ werden.

Bereits zum Launch ist das neue Produkt damit mit jeder Menge positiver Kundenrezensionen versehen (nämlich die, welche tatsächliche Kunden in der Vergangenheit für die Handyhülle abgaben).

Dem Produkt-Listing selbst ist dies aus Endkunden-Perspektive im ersten Moment nicht anzumerken.

Nur ein genauer Blick auf die Details der zugehörigen Kundenrezensionen kann die vermeintlich lange Historie und förmliche Transformation des Produkts enthüllen.

Für die, die noch tiefer einsteigen wollen: Das Tool Wayback Machine (Ein Angebot der Webseite archive.org) archiviert historische Webseiten, und kann euch in manchen Fällen einen Blick auf die ursprünglichen Produkte erlauben.

Produkt Varianten

Produkt Varianten sind ein valides und auch hilfreiches Mittel, einen verständlichen Überblick über vergleichbare Produktsortimente zu verschaffen.

Jedoch nur, solange auch realistisch zusammengehörige Produkte miteinander verlinkt werden.

In der Praxis wird das zusammenführen mehrerer Produkte zu einer Produktvariation häufig dazu verwendet, um neue Produkte (new Launches) mit alten Produktlistings (mit vielen, positiven Rezensionen) zusammenzuführen. Die Rezensionen beider Listings werden dabei fusioniert.

Solange die beiden Produkte tatsächlich einen Zusammenhang haben, ist dem nichts entgegenzusetzen – im Gegenteil.

Sobald allerdings komplett differierende Produkte, oder Produkte unterschiedlicher Produktserien miteinander verlinkt werden, nur um die Sterneanzahl des neuen Produktes künstlich zu erhöhen, kann dies zu einer erheblichen Fehl-Interpretation führen.

Wer tiefer einsteigen möchte, kann auf Amazon die jeweiligen Rezensionen (manuell) voneinander separieren. Unter dem Titel der Rezension ist dort eine unauffällige Zuordnung zu dem tatsächlichen Produkt versteckt (z.B. Größe, Farbe oder Muster).

Eine Filter-Möglichkeit besteht aktuell noch nicht.

Brand Kooperationen

Auch wenn dieser Punkt keinen direkten Zusammenhang zu den auf Marktplätzen & Shops dargestellten Sternebewertungen hat, ist der Einfluss, den Influencer und Testimonials auf unser Kaufverhalten haben gewiss nicht abzustreiten.

Wir stehen dem Verkauf von Reichweite und persönlichem Vertrauen für un-validierte Werbezwecke kritisch gegenüber. Vor allem dann, wenn Werbebotschaften unauthentisch und ungeprüft bleiben.

Regelmäßig wird die Produktpräsentation von Influencern mit unvorstellbaren €-Summen bepreist.

In zugrundeliegenden Influencer Verträgen zwischen Social Media Persönlichkeiten und Brands werden die, für die Erwähnung des Produkt in der Story, oder einem umfangreicheren Video verwendeten Werbebotschaften (oder gar ganze Skripte!) nicht selten von den Brands wortgenau vordefiniert.

Die authentische Meinung des Influencers, der das Produkt während der Erstellung des Contents für seinen Post häufig das erste Mal in den Händen hält, sucht man dabei vergeblich.

Vielmehr handelt es sich häufig um einen reinen Handel mit Reichweite.

Einen hilfreichen Artikel des Europäischen Verbraucherzentrums zum Thema Influencer kann noch mehr Details dazu liefern.

Fazit

Bei genauerem Hinsehen wird damit verständlich, wie vielfältig die unterschiedlichen Versionen an unechten Bewertungen eigentlich sind.

Obwohl große Marktplätze in den letzten Jahren viel dafür unternehmen, Bewertungsbetrügern auf die Schliche zu kommen, ist eine gewisse Mitschuld dort nach wie vor bestimmt nicht fehlplatziert.

Solange Kundenrezensionen auf eine Weise vom Ranking-Algorithmus bewertet werden, wie sie es aktuell werden, ist die Incentivierung für Händler leider sehr groß, diesen Hebel aktiv steuern zu wollen.

 

Es bleibt damit am Endverbraucher, sich vor dem Kauf ausreichend zu informieren und zu recherchieren.

Wir für unseren Teil hoffen hiermit etwas Licht auf die vielseitigen Möglichkeiten der Bewertungsmanipulation geworfen zu haben.

Auch wir haben verständlich keinen vollumfassenden Überblick über die Validität aller Rezensionen im einzelnen. Neben unseren unabhängigen Produktbewertungen & -Kritiken, die wir hier zur Verfügung stellen, möchten wir aber unser Bestes geben, euch auf potentiell beeinflusste Bewertungen aufmerksam zu machen, die uns im Rahmen unserer Recherche auffallen.

Mehr dazu, wie wir eine Anlaufstelle für vertrauenswürdige Produkt Kritiken sein wollen, kannst du hier nachlesen.